Der Schlüssel zum Erfolg...
...besteht darin, aus den drei mittlerweile gebräuchlichen Modelliertechniken Zeichnen, Modellbau und 3D-Computermodellierung Synergien zu ziehen. Nicht nur für Koziol setzte der Münchener Industrie- und Automobildesigner Peter Naumann diese Strategie konsequent um.
Naumann Design
Handzeichnungen helfen dem Designer bei der anfänglichen Ideenfindung
Der Erfolg eines Designobjekts ist, wie der Münchener Industrie- und Automobildesigner Peter Naumann zu berichten weiß, nur noch eine Frage der Zeit. Mit seiner sechsköpfigen Firma Naumann Design bereichert er seit 1991 Unternehmen der unterschiedlichsten Branchen mit durchdachten und interessanten Designentwürfen. Dabei steht ein stetiger Kommunikationsfluss mit dem Kunden im Vordergrund. "Kommunikation ist heute wichtigster Garant für den Erfolg eines Unternehmens. Das Design muss von Anfang an Bestandteil dieser Kommunikation sein" so der Anfang Vierziger, der am Royal College of Art in London Automobil-Design studierte. So wird jeder Produktionsablauf des Designhauses – von der Planung bis zur Gestaltung – mit dem Kunden be- und abgesprochen.

Naumann Design
In Form von Schaum oder Clay erhält die Idee erstmals konkrete Formen
Am Anfang liegt das schier unlösbare Problem, den Kunden für eine Idee zu begeistern. Einerseits muss sich der Designer von seinen persönlichen Wünschen und Vorstellungen lösen, denn er entwirft das Design schließlich für den Kunden. Zudem soll ein wirtschaftlich erfolgreiches Produkt dabei entstehen, weshalb Technik und Design eine nicht immer ganz einfache Symbiose eingehen müssen. Andererseits sieht sich aber auch der Auftraggeber vor eine erste Herausforderung gestellt – er wird mit Visionen seines Produktes konfrontiert und muss eine Entscheidung für oder gegen Designentwürfe fällen. Für diese Stufe nutzt Peter Naumann den probaten, traditionellen Zeichentisch. Hier versucht er ein möglichst umfangreiches Spektrum an Formen und Flächengestaltungen zu entwerfen, mit Hilfe der Skribbles seine eigene Kreation zu schärfen, Ideen zu finden, um letztendlich diese zeichnerischen Ergebnisse dem Kunden zu präsentieren. Dieser Prozess kann sich schon mal über ein halbes Jahr hinziehen. Zeigt sich der Kunde mit einer der vorgestellten Designideen zufrieden, dann folgt der zweite Schritt: der Modellbau. In Form von Schaum, Clay, oder Kunststoffen erhält die Idee erstmals konkrete Formen. Der Modellbau ist bei Naumann Design sehr wichtig, dient er doch dazu, das Produkt auf seine Funktionalität zu überprüfen und es auch einmal in den Händen halten zu können. Der haptische Effekt entscheidet zu einem nicht geringen Teil über „Hopp oder Top“ der Designstudie.

Naumann Design
Parallel zum Modellbau erfolgt die Modellierung am Rechner
Parallel dazu erfolgt der Aufbau des Designobjekts am Computer. Für Peter Naumann ist der NURBS-Flächenmodellierer Rhinoceros® ein effektives drittes Hilfsmittel, das absolut gleichwertig mit den anderen beiden Modelliertechniken in den Designprozess eingebunden ist. „Systeme wie Rhino dienen dazu, Strategien zu entwickeln und mit Hilfe von photorealistischen Renderprogrammen einen Entwurf des Modells zu sehen“ beschreibt Peter Naumann diese elektronische Modellierhilfe. Rhinoceros® ist quasi ein Vorab-Spiegel der Realität, denn man kann die verschiedenen Ausprägungen des Designs sehr kostengünstig und schnell unendlich oft durchexerzieren und sich letztendlich den besten Entwurf herauspicken.

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Schwer zu visualisieren - der transparente Kunststoff der verkaufsfertigen Lucy
Dadurch dient Rhinoceros® – wie in der ersten Stufe der Designstudie das händische Zeichnen – der Bewusstseinserweiterung des Designers und damit auch einer perfektionierten Designfindung. Bisher waren diese 3D-Programme für kleinere bis mittlere Designbüros kaum erschwinglich, die Kosten bewegten sich in astronomischen Höhen und angesichts der Tatsache, dass die Systeme oft nur unterstützend verwendet werden, rechnete sich der Aufwand nicht. Rhinoceros® hingegen vereint alle Vorteile eines herkömmlichen 3D-Freiformflächenmodellierers und aufgrund der sehr niedrigen Anschaffungskosten lässt er sich ohne weiteres auch nur unterstützend als dritte Säule des Designprozesses einsetzen – ohne schlechtes Gewissen. Da stört es das Designteam von Naumann Design auch nicht, wenn der Platz vor dem Computer einmal leer steht, weil am Zeichentisch oder in der Modellbauwerkstatt gearbeitet wird. Zudem zeigt sich Rhinoceros® kompatibel mit den unterschiedlichen NURBS-Programmen der Konstrukteure, was wiederum bedeutet, dass bei den ständigen Datenübertragungen keine Daten verloren gehen. Sprich Freiformflächen bleiben erhalten und der Konstrukteur bekommt das Design genau so, wie es der Designer entworfen hat. Die nahtlose Integration des ausgewählten Designentwurfs in den Konstruktionsprozess entscheidet neben der guten Chemie zwischen Ingenieuren und Designern maßgeblich über die ästhetische Qualität des fertigen Produktes, welches letztendlich den Lebensnerv eines jeden Unternehmens darstellt.

Mit dem damals neuen Kunden Koziol begab sich Naumann Design erstmals auf neues Terrain – weg von der bisherigen Königsdisziplin des Designs, dem Automobildesign, und hin zu Alltagsgegenständen, deren Designfindung sich genauso herausfordernd und spannend gestaltete. Aufgabe war es nun, Büroartikel neu zu gestalten. Doch leichter gesagt wie getan. So profane Produkte wie „Locher“ oder „Hefter“ werden weltweit von verschiedenen Firmen hergestellt. Die dahinter stehende Mechanik ist bei jedem dieser Produkte nahezu identisch und gilt daher nicht als Absatzkriterium. Der enorme Konkurrenzdruck erhebt vielmehr das Design zum entscheidenden Faktor.

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Schwierig - die händische Darstellung transparenter Materialien
In den Vorab-Zeichnungen versuchte Naumann nun, ebenso wie er es bei den Motorrädern von BMW oder den medizinischen Geräten bei der GGU GmbH gewohnt war, den Spirit bzw. den Nerv von Koziol zu treffen. Wie sieht die Designsprache von Koziol aus? Wie kann man den Spirit der Produkte am besten illustrieren? Koziol hat sich auf Alltagsprodukte wie z.B. Büroartikel, Küchen- oder Badutensilien spezialisiert, kurz gesagt auf Dinge, die den Menschen Freude bereiten und ein Lächeln schenken. Typisch für Koziol ist eine sehr figürliche Designsprache, die die emotionalen Grundbedürfnisse der Menschen anspricht. Zuerst analysierte Peter Naumann den Bewegungsablauf eines klassischen Hefters, um aus den Funktionen eine Designidee entwickeln zu können: Klappende, schnappende „Auf und Ab“ Bewegungen, ähnlich die eines Tiermauls. Die schon des Öfteren entworfene Krokodilform verwarf man schließlich zugunsten eines noch nie da gewesenen Froschkörpers. Dasselbe Spiel mit dem Locher. Naumann Design suchte eine Figur passend einerseits zur Designsprache Koziols, andererseits zu dem Produkt Locher. Das verbindende Element fand sich schließlich in Form eines Schmetterlings. Neu dabei: der Locher liegt nicht wie üblich mit der Bodenfläche nach unten, sondern steht hochkant, sodass er nicht sofort als Locher zu identifizieren ist. Der verschiebbare Schmetterlingskopf hält die Blätter in DIN-Norm zusammen.

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Gewöhnliche Produkte wie ein Locher erscheinen begehrenswerter, wenn sie über eine hohe Emotionalität verfügen
Naumanns erklärtes Ziel, „den Produkten mit all ihren Funktionen über das Design Emotionen einzuhauchen“, ist auch hier wieder glänzend gelungen. Bei Naumann Design ist man sich sicher, dass die Produkte erst dann als einzigartig und begehrenswert erscheinen, wenn sie über eine hohe Emotionalität verfügen. Und diese Emotionalität entsteht nicht zuletzt auch durch das verwendete Material. Der durchsichtige Kunststoff gibt zwar den Blick auf das technische Innenleben preis, betont aber zugleich die Zartheit und Zerbrechlichkeit der Figur. Im Vorfeld präsentierte Peter Naumann diese Ideen im Hause Koziol, sah sich dabei jedoch mit einem Darstellungsproblem konfrontiert. Den herkömmlichen Modellierungsmethoden Zeichnen und Modellbau waren schnell technische Grenzen gesetzt, die jedoch mit dem NURBS-Freiformflächenmodellierer Rhinoceros® problemlos überwunden werden konnten. Naumann Design rief die Objektdaten in Rhinoceros® auf, renderte diese und konnte somit die Produkte – photorealistisch visualisiert – dem Kunden präsentieren. Koziol erhielt dadurch eine sehr genaue Vorstellung, wie das von Naumann gewünschte Material in der "Realität" aussehen wird und gab sichtlich angetan grünes Licht für die Produktion des Lochers Lucy und des Hefters Gonzales.

Naumann Design
Naumann Design baut ganz auf eine figürliche Designsprache - hier der Tacker "Gonzales"
Aller guten Dinge sind Drei, sagt der Volksmund und daran ist gewiss etwas Wahres. Was wäre das Designen ohne Skribbles? Ohne Modelle? Oder ohne 3D-Programme? Mit den verschiedenen Designtechniken verhält es sich ebenso, wie mit den Kunden eines Designbüros. Naumann Design arbeitet in den unterschiedlichsten Marktsegmenten mit jeweils nur einem Kunden. Dadurch herrscht ein ständiger Wechsel in Bezug auf die zu bearbeitenden Produkte. Das allseits bekannte Problem der beruflichen Scheuklappen ist somit gebannt, die Offenheit und der unvoreingenommene Blick für neues Design jedoch gewahrt.

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von Stefan Roth / flexiCAD.com