Geometrie-Spezialisten gefragt
Der amorph geschwungene Überbau der neuen Zweigstelle des Centre Pompidou in Metz stellte Planer und ausführende Firmen vor große Herausforderungen.
Shigeru Ban Architects Europe et Jean de Gastines, image Artefactory
Außenansicht Entwurf
Das neue Wahrzeichen der Stadt Metz der Architekten Shigeru Ban und Jean de Gastines wurde eigentlich einem traditionellen chinesischen Hut nachempfunden, konstruktiv gesehen könnte man es als eine freigeformte Dachfläche mit sechseckiger Grundfläche bezeichnen. Das klingt für heutige Verhältnisse wenig spektakulär, erwies sich aber für alle an Planung und Bau Beteiligten als äußerst anspruchsvolles Projekt.

Shigeru Ban Architects Europe et Jean de Gastines, image Artefactory
Eingangshalle
Die Dachkonstruktion aus sechs Trägerlagen Schichtholz endet in vier sog. Tulpenstützen im Boden. Die Konstruktion wird außerdem von einer turmartigen Stahlfachwerkstütze mit einem 77 m hohen Metallmast in der Mitte getragen und ist von fünf großen elliptischen Stahlringen abgehängt. Darüber liegt eine weiße Beschichtung aus Poly-Tetra-Fluor-Ethylen (PTFE). Drei weiße Kuben, in denen die Ausstellungsbereiche untergebracht sind, durchstoßen das Zeltdach und bieten mit raumhoch verglasten Stirnseiten gezielt gerichtete Aussichten auf die Stadt.

Holzbau Amann GmbH
Holzkonstruktion des Dachs
Bei einer Geometrie aus 1.790 individuell zugeschnittenen unterschiedlich gekrümmten Einzelträgern und etwa 7000 Verbindungsstücken scheitern herkömmliche Darstellungsmethoden. So wurde in Zusammenarbeit mit der Firma Designtoproduction aus den Grundlagen einer dxf-Datei des Architekten, die die Konstruktion als Gitternetz abbildet, zunächst ein 3D-Modell in Rhinoceros entwickelt, um die notwendigen Informationen für die Herstellung sowie die ausführenden Handwerker der Holzbaufirma Amann erzeugen zu können.

Nur über eine verbindliche Referenzfläche der Dachhaut können die Träger einer kontinuierlich geschwungenen Kurve folgen, jeder Punkt muss mathematisch eindeutig festgelegt sein. Außerdem benötigt man für Statik, Fertigung und Montage effektive Optimierungskriterien, um diese überdurchschnittliche Bauaufgabe zeit- und kostengünstig überhaupt umsetzen zu können.

Die Züricher Firma iCapp berechnete mit der Rhinoceros-Erweiterung RhinoReverse die Referenzfläche, um die extremen Krümmungswechsel in eine annäherungsweise glatte Linienführung zu überführen.

Schließlich musste aus den Netzlinien in der Dachreferenzfläche das Volumen der Träger aufgebaut werden. Dazu erstellten die Fachleute von iCapp und Designtoproduction ein geometrisches Gerüst senkrecht zur Dachreferenzfläche, dem die Trägerlagen folgen konnten.

von Isabell Häusler